15. 3.
Am Montag Abend kam ich in Playa Girón an, dem Hauptlandeplatz der Schweinebuchtinvasion.
Das zugehörige Museum ist wegen Renovierung geschlossen, man sieht nur ein Flugzeug (darin nisten inzwischen Vögel) und zwei Panzer, die davor stehen. Zum 55. Jahrestag am 16. 4. soll wiedereröffnet werden. Das ist sicher ganz praktisch. So musste man in der Führung nicht diskutieren, ob man Obama einen Besuch dieses Ortes aufnötigen soll.
Die Renovierung ist in vollem Gange: Fünf Gärtner waren heute damit beschäftigt, drei Palmensetzlinge in die Erde zu bringen. Der Ehrlichkeit halber muss ich zwei Dinge hinzufügen: 1. Es stand kein Spaten zur Verfügung, sondern nur ein Stemmeisen. 2. Der Auftrag war bereits mittags vollständig ausgeführt.
Insgesamt strahlt Playa Girón eine Mischung aus Ödnis und Goldgräberstimmung aus.
Das alteingesessene Hotel ist heruntergekommen, offensichtlich aber für kanadische Rentner immer noch attraktiv genug.
Die Kanadier werden hier gehätschelt. Für einen CAD bekommt man genauso viel wie für ein britisches Pfund. Ich weiß nicht, ob dieser Kurs an die Vorlage eines kanadischen Passes gebunden ist. Andernfalls würde ich die nächste Kubareise mit reichlich CAD in der Tasche antreten.
Der Weg aus Kanada ist überraschend kurz. Von Toronto bis Varadero sollen es nur zweieinhalb Flugstunden sein. Schwer haben es dagegen die Italiener. Egal ob Mailand oder Rom: preisgünstig soll nur der Weg über Moskau sein.
Der Vermieter hatte diesmal einen Wasserschaden zu beklagen und brachte mich daher bei seinem angeblichen Schwager unter. Er warnte eindringlich davor, anstelle des von ihm angebotenen Abendessens den am Strand verkauften Grillfisch zu verzehren, da man sich hierdurch mit Zika und Dengue infizieren könne. Nachdem schon ein Rikschafahrer in Cienfuegos seine überhöhte Forderung damit begründet hatte, er sei fünffacher panamerikanischer Fahrradmeister gewesen, kann man wohl schwerlich behaupten, 57 Jahre Sozialismus müssten zwangsläufig die Phantasie der Menschen abtöten.
Bis vor fünf Jahren gab es hier nur das Hotel, jetzt werden überall private Fremdenzimmer gebaut. Auch meine Vermieter bauen ein zweites Zimmer an. Gestern Morgen erschien jemand gegen neun, hockte sich auf den Boden und begann, mit einem kleinen Sieb Sand zu sieben. Nach einer Stunde hatte er geschätzt vier Kilo geschafft.
Welchen Grund gibt es also hierzubleiben? Es ist die wirklich fantastische Unterwasserwelt. Das Korallenriff liegt direkt vor der Küste und kann schwimmend oder mit einer kurzen Bootsfahrt erreicht werden. Heute gab es beeindruckende Fächerkorallen und solche, die wie riesige Hirschgeweihe aussehen. Viele farbenfrohe Fische obendrein. Die beiden besten Strände kosten - wenn man nicht kanadischer Rentner ist - jeweils 15 $ Eintritt. Dafür hat man dann ein Buffet am Strand und Mojito bis zum Abwinken mitgekauft. Entsprechend finden längst nicht alle den Weg ins Wasser.
17. 3.
Übliche Monatsverdienste im Staatsdienst liegen zwischen 10 und 30 CUC. Das ist die frei konvertierbare Parallelwährung, die im Wert dem Dollar entspricht. Den gleichen Betrag verdient man, wenn man dreiselbst gefangene Fische brät und am Strand verkauft oder zwei Touristen für eine Stunde mit dem Boot aufs Meer hinausfährt. Ich hatte einen Nachbarn im Bus, der hatte bei einem Flugzeugingenieur gewohnt und bei einem Biologen. Beide hätten ihren Beruf geliebt, aber auch keinen anderen Ausweg mehr gesehen als Zimmer zu vermieten. Man kann sich vermutlich kaum ausmalen, welche Qualifikationen so auf die Dauer verloren gehen. Durch die Liberalisierung privater Dienstleistungen wurde sicher Druck aus dem Kessel genommen; ein Plan für die weitere Entwicklung des Landes ist aber nicht zu erkennen. Der junge Rikschafahrer, der mich heute zum Busbahnhof brachte, formulierte seine Einschätzung so: Wir sind nicht arm, wir sind nichT reich. Die ganze Welt entwickelt sich, nur Kuba nicht.
Erschreckend fand ich einen Vorfall heute Morgen. Ich nahm zusammen mit ein paar Ragazzi aus Turin an einer naturkundlichen Führung teil. Einer von ihnen fragte den Führer nach seiner Einschätzung des Obama-Besuchs und bekam die abschätzige Antwort: “Da sperren sie ganz Havanna für einen Neger ab!“ Der Mann hielt das für sehr lustig.
Die Höhepunkte der Führung waren für mich zwei cenotes; d. h. eingebrochene Höhlen. Vom Rand blickt man auf dunkles blaugrünes Wasser in der Tiefe.
Heute Abend bin ich nach Havanna zurückgefahren. Am Busbahnhof kamen mein slowakischer Schnorchelbekannter und ich mit einer jungen Frau aus Baltimore ins Gespräch, die sich tiefergehende Eindrücke vom Land dadurch verschafft hatte, dass sie einfach zwei Wochen ohne Programm In Havanna geblieben war. Sie war über Mexiko eingereist und baute darauf, dass die US-Grenzer nicht mehr so genau hinschauen, ob zwei mexikanische Stempel im Pass sind oder vier. Es gibt sie also weiterhin, die anderen Amerikaner.
Unterwegs wurde an einer Raststätte gehalten. Dort lief ein Fußballspiel TOT - DOR. Ich hielt das für ein Spiel der Premier League, Tottenham gegen Dorset oder so. Dann jedoch lief zunächst der unverwechselbare Herr Tuchel ins Bild, und kurz danach fiel das Gegentor. Leider wurde in der 81. Minute der chinesische Bus wieder angelassen. Wenn mir also jemand mitteilen könnte, wie das Spiel ausgegangen ist, wäre ich dankbar.
Wir kamen dann noch am Stadion von Havanna vorbei. Ein Bierzelt war bereits aufgebaut, die restliche Ausrüstung der Stones ist heute Abend aber noch in Mexiko-Stadt im Einsatz. Morgen beginnt die britische Botschaft mit der vorbereitenden Popmusikwoche. Für Obama soll die gesamte Umgebung des Baseballstadions aufgefrischt werden, in dem am 22.Kuba gegen die USA spielt.
18. 3.
Zurück in Havanna. Ich war im Stadtteil Vedado unterwegs. Neue Eindrücke (Konditorei, Hähnchenbraterei, vor allem aber der chinesische Friedhof und die wieder in den Rang einer Botschaft erhobene US-Vertretung) gesellten sich zu Besuchen bekannter Orte.
Einer davon war das Hotel Nacional. Geboten wurde in der Lobby zunächst Schalke gegen Gladbach. Das habe ich ausgelassen, hoffe aber, dass nach dem MG-Lattentreffer noch gezieltere Schüsse kamen.
In der Bar gibt es seit altersher eine Galerie der bedeutenden Gäste. Ich war überrascht, wieviele US-Filmschaffende in den letzten Jahren hier waren. Sie können sich die hohen Geldstrafen natürlich leisten, aber trotzdem. Hinzu gesellen sich böse Buben wie Ahmahdinedschad. In der 2015-Galerie sieht man mit Valentina Tereschkowa (erste Frau im Weltraum) und Paris Hilton zwei Frauen,wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, dazu den Bösewicht der Stunde, Herrn Erdogan. Aber dann tritt man in den Garten hinaus und hat einen wunderbaren Blick auf den Malecón, die Hafeneinfahrt und das Meer.


An meinem letzten Abend in Kuba habe ich einen Sundowner genommen, im höchsten Gebäude von Havanna. Über 300 Wohnungen, im 33. Stockwerk eine Bar und ein Restaurant. Laut Lonely Planet war das Gebäude bis vor ein paar Jahren so verfallen, dass in den obersten Stockwerken Geier nisteten. Jetzt ist wieder alles bewohnbar, aber das Interessante ist: Die Geier verteidigen den Standort! Nach wie vor umkreisen sie den Betonklotz.
Nachdem ich den Planters Punch ausgetrunken hatte, war das vordem leere Restaurant voll besetzt. Sicher alles Journalisten. Den Aufzug abwärts teilte ich mir mit einem Familienverbund unterschiedlicher Hautfarben aus Costa Rica. Der etwa zwölfjährige Sprössling übernahm zügig das Gespräch mit den Worten: “Ich spreche Englisch! Mit mir können Sie sich verständigen!“ Nach diesem Erlebnis sehe ich meinem Aufenthalt im offensichtlich weltoffenen Costa Rica mit großer Zuversicht entgegen.
Auf meiner ersten Kubareise habe ich Fidel und Diego Maradona aus der Nähe gesehen. Das ist natürlich kaum zu toppen, und so muss ich mich diesmal mit dem britischen Meister im Florettfechten (die Geschichte habe ich geglaubt) und dem Mercedes des südafrikanischen Botschafters zufrieden geben. Entscheidend ist aber, dass ich sehr viele Eindrücke mitgenommen habe - . und eigentlich gern noch hiergeblieben wäre.
19. 3.
Weiterflug nach Panama. Obamas Vorhut war bereits eingetroffen. Auf dem Flughafen in Havanna stand eine große Transportmaschine der US Air Force, vermutlich ja die erste seit der Revolution.