Nachdem wir gut 250 km zu Fuß gegangen sind, ist die Gruppenreise nun zuende. Meine verbliebene Mittrekkerin Tina ist heute Morgen nach Kathmandu gefahren.
Ich habe mir zur Abwechslung ein Mountainbike geliehen: schaltung von Shimano, Sattel von Schwalbe, Reifen von Conti. Natürlich alles gefälscht, immerhin war das Rad aber mit personalisierten Bremshebeln ausgestattet:
Aufgrund des nun schon drei Wochen währenden Treibstoffmangels ging es zunächst über leere Straßen, vorbei an Bildungseinrichtungen mit löblichen Grundsätzen
zum Gurkha-Museum. Diese Elitetruppe der britischen Armee und der Singapurer Polizei existiert noch heute und beging soeben ihren 200sten Geburtstag. Sie wurde gegründet, nachdem die Briten eine nepalesische Armee nur mit Mühe besiegen konnten und die kampferprobten Nepalesen anschließend erfolgreich einbanden. Heute werden jährlich noch 200 junge Nepalesen in hartem Wettbewerb rekrutiert. In diesem bitterarmen Land stellt das nach wie vor eine attraktive Perspektive dar.
Das Museum dient natürlich der Glorifizierung dieser Truppe. Mir hat es deutlich gemacht, wie viele bewaffnete Konflikte es neben den großen Kriegen es noch gab, die ich schon wieder vergessen hatte.
Der erste Großeinsatz 1857 weist Bezüge zur aktuellen Lage auf. Der erste indische Aufstand gegen die britische Kolonialmacht wurde nicht mit antiimperialistischen Gedanken entfacht, sondern mit dem Gerücht, die Kugeln der neuesten britischen Gewehrgeneration seien mit Rind er- und Schweinefett geschmiert.
Ähnlich verhält es sich mit der derzeitigen Versorgungskrise. Seit 2006 ist hier die Monarchie abgeschafft, seitdem heißt das Staatswesen “Demokratische Bundesrepublik Nepal“ - was für uns Deutsche ja nicht einer gewissen Ironie entbehrt.
Bisher gab es noch keine neue Verfassung. Dieser Aufgabe haben sich diePolitiker nach dem Erdbeben mit großer Intensität zugewandt - während die Opfer weiter auf Hilfe warten. Seit dem 20. September ist das Grundgesetz nun in Kraft - und legt fest, dass Nepal ein säkularer Staat ist, was bei drei Religionen natürlich sinnvoll ist.
Genau hiergegen wurde Widerstand im Grenzgebiet zu Indien mobilisiert. Dort sind alle Hindus, und durch Grenzblockaden soll durchgesetzt werden, dass Nepal als hinduistischer Staat firmiert wie zu Zeiten der Monarchie. Die religiös-nationalistische Regierung von Herrn Modi (der elend lange brauchte, um den Lynchmord an einem Muslim zu verurteilen, dem der Verzehr von Rindfleisch vorgeworfen wurde) unterstützt das offensichtlich nach Kräften. Somit kommen seit Wochen kaum noch Benzin und Diesel, Gas und andere lebenswichtige Güter aus Indien ins Land.
Es gibt viel antiindische Rhetorik, aber keine erkennbaren Konzepte. Die neue Regierung aus “Marxisten-Leninisten“ und “Maoisten“ ist vor allem damit befasst,, über die Verteilung der Ministerien zu streiten. Die Einheimischen saugen begierig alle Facebook-Tatarenmeldungen auf. Vor allem die, China würde helfen. Wie heute gemeldet wurde, haben aber keinerlei Verhandlungen mit Peking stattgefunden. Die einzige Staßenverbindung von Tibet aus war außerdem durch einen Erdrutsch und das Erdbebeb so beschädigt, dass sie ersr vorgestern wieder geöffnet wurde.
Am 20. ist das Dasain-Fest, anscheinend das höchste Fest der hiesigen Hindus. Da wird eine Ziege geopfert und der älteste Bruder geehrt. Viele beschäftigt darum die Frage, ob sie es rechtzeitig in ihren Heimatort schaffen und mit welchem Brennmaterial sie die Ziege zubereiten sollen.
Für mich geht es vor alem darum, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Heute Nachmittag sah es,noch so aus, dass yich die Lage entspannen würde. Gab es vorgestern noch lange Schlangen an den Tankstellen,
waren jetzt auf einmal die Straßen voll. Aber vermutlich wurden nur ein paar staatliche Reserven freigegeben.
Heute Abend jedenfalls hatten mehrere Restaurants Notspeisekarten, weil die letzte Gasflasche leer war. Außerdem ist seit Stunden durchgehend Stromausfall, was bisher nie der Fall war.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Donnerstag, 15. Oktober 2015
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