In dieser Woche fand der Höhepunkt des Dasain-Festes statt. Es dauert insgesamt zwei Wochen, Höhepunkt sind der siebte bis neunte Tag. Es gibt umfangreiche Riten und Gewohnheiten: Tempel und Schreine werden mit Farben und Marigold-Blütenketten geschmückt,
Die Kinder basteln Drachen und bekommen große Schaukeln aus langen Bambusstangen gebaut,
Abends werden Butterlampen entzündet, bei denen man so lange ausharren muss, bis sie ausgebrannt sind. Musikgruppen ziehenmit lautstarkem Getrommel durch die Dunkelheit.
Banken und Geldautomaten geben neue Scheine aus, damit Geldgeschenke ordentlich aussehen. Zuckerrohrstangen werden erworben, hinter dem rechten Ohr werden frische Gerstenkeimlinge getragen.
Am befremdlichsten ist das Tieropfer am achten oder neunten Tag. Das Opfertier muss männlich sein, es gilt folgende Hierarchie: Büffel, schwarze Ziege, gescheckte Ziege, Erpel, Hahn. Im Haupttempel in Kathmandu werden unter Bezug auf die heilige Zahl 108 Büffel getötet.
Den Opfertieren wird - vorzugsweise im Tempel - der Kopf abgetrennt, der dann zusammen mit anderen Opfergaben dort verbleibt. Andere bauen ihn vor ihrem Auto auf und beschmieren die Motorhaube mit Blut und Eingeweiden, damit auch in Zukunft unfallfreies Fahren ohne Beachtung irgendwelcher Verkehrsregeln möglich ist.
Das Fleisch der Tiere wird dann im Kreis der Familie verzehrt.
Da sind mir doch die hiesigen Vegetarier sympathischer: Sie opfern eine Wassermelone.
Gestern und vorgestern habe ich etwas getan, was unter normalen Verkehrsverhältnissen wohl kaum denkbar ist. Ich habe die Umgebung von Kathmandu mit dem Mountainbike erkundet.
Zuerst besuchte ich die für Tibeter besonders heilige Stupa von Boudha. Die ungarischen Buddhisten waren bereits vor mir eingetroffen . Sie drehten eifrig die Gebetsmühlen, trugen jetzt aber Zivilkleidung:
Die Stupa hat durch das Erdbeben ihre Spitze verloren. Sie muss früher ähnlich ausgesehen haben wie Swayambhu, wo ich zwei Tage vorher gewesen war:
Weitergefahren bin ich dann in ein Dorf namens Sangku. Dort waren die Erdbebenschäden verheerend. Viele Häuser waren völlig eingestürzt, die meisten anderen schwer beschädigt. Am Ortsrand hatten sich etliche Familien mit den vom Staat zugeteilten 12 Wellblechplatten einrichten müssen. Sie ergeben ein Schutzdach mit vielleicht 6 x 4 m Fläche.
In gedrückter Stimmung wollte ich als nächstes einen Weltkulturerbe-Tempel auf einem Bergrücken ansteuern. Mitten im tiefsten Wald kam mir jedoch ein Zahnarzt aus dem Emsland entgegen. Er arbeitete für vier Wochen in einer hiesigen Klinik, hatte aber vorgestern nichts zu tun, weil es aufgrund von Dasain weder Mitarbeiter noch Patienten gab.
Wegen der Wegbeschaffenheit riet er mir dringend von meinem Vorhaben ab. Ich bin dann auf einer Asphaltstrasse nach Bhaktapur abgefahren. Diese Stadt hat(te) eine besonders große Altstadt. Den Bezirk, durch den ich eingefahren bin, hat das Beben, wie ich abends erfuhr, besonders schwer getroffen.
Die große Pagode steht noch,
Man kann auch noch die wunderbaren Holzschnitzereien bewundern,
aber schon ein paar Schritte weiter sieht es so aus:
Insgesamt gab es 350 Tote in dieser Stadt. So wie ich die Lage im Land einschätze, wird es lange genug dauern, die Überlebenden halbwegs anständig unterzubringen. Dass man diese ausgedehnte Altstadt noch einmal in der ursprünglichen Gestalt rekonstruieren kann, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Heute habe ich hier in Kathmandu noch den großen Hindutempel Pashupatinath besucht. Er liegt an einem Flüsschen, das letztlich in den Ganges einmündet. Deshalb ist er der bevorzugte Platz für Feuerbestattungen.
Ich verlasse das Land also mit einer Fülle intensiver und fremdartiger Eindrücke.
Euch ein schönes Wochenende, ich melde mich dann aus Thailand wieder.
Hans