Jetzt bin ich doch noch nach Tibet gekommen:

Allerdings handelt es sich quasi um ein virtuelles Tibet. Bei Uspallata - am Osthang der Anden - wurde für den Film "Sieben Jahre in Tibet" gedreht. Der Río Mendoza stellte den Brahmaputra dar und Brad Pitt Heinrich Harrer. Da wir in Angkor auch schon an einem Drehort von Angelina Jolie waren, fügt sich so langsam alles harmonisch zusammen.
Übrig gebliebene Filmrequisiten - wie Gebetsmühlen und ein Buddha - schmücken nun die Tibet Bar:

Ansonsten ist Uspallata ein kleines Kaff. Durch den Andentourismus ist es aber in den letzten Jahren auf 7000 Einwohner angewachsen, so dass die Unterrichtsräume nicht mehr ausreichen und die letzten Schüler erst abends um sechs Unterrichtsschluss haben. Das Zentrum wird von einer Strassenkreuzung gebildet, über die endlose Kolonnen riesiger Lastzüge zum Bermejo-Pass rollen. Ob man nun auf der Terrasse der Tibet-Bar sitzt oder auf der eines anderen Lokals: so lange man draussen sitzt, sind Staub, Hitze und Diesel die Begleiter.
Jetzt aber der Reihe nach. Hier zunächst noch zwei Bilder vom Villarrica-Vulkan. Wir gingen in 1400 m Höhe los, das Tal lag noch in den Wolken:

Der Aufstieg war mühevoll, auf dem Rückweg ging es umso schneller:

Von Pucón aus fuhr ich mit dem Nachtbus nach Valparaíso. Prinz Charles traf ich nicht mehr an, denn Camilla und er waren bereits zwei Tage vorher in dieser Hafenstadt gewesen. Als Führer durch die Stadt hatte man mir einen Aussteiger aus Thüringen empfohlen, der in der Tat interessante Einblicke in die Stadt parat hatte.
Im Hafen werden grosse Mengen von Containern umgeschlagen. Hinter dem Hafengebiet steigt das Gelände

ziemlich steil an. Deshalb wurden Ende des 19. Jh. zahlreiche Schrägaufzüge gebaut. Sie sind z. T. noch in Betrieb und gehören heute zu den grossen touristischen

Attraktionen der Stadt.
Im 19. Jh. kam die Stadt durch den Salpeterboom zu grossem Reichtum. Deshalb gab es damals eine starke Zuwanderung aus Europa. Die multinationale Herkunft der Bevölkerung zeigt sich heute noch in der Organisation der Feuerwehr. Es gibt eine englische, frazösische, jüdische Feuerwehr - und natürlich auch eine deutsche, die nach bewährten Prinzipien des Vereinswesens organisiert ist:

Weiterhin besuchte ich den deutschen Club, in dem nach wie vor Bilder Bismarcks und des Kaisers hängen. Die Fahne ist allerdings schwarz-rot-gold.
In Dortmund sind die letzten Hinweise auf die WM 2006 verschwunden, in einer Kneipe in Valparaíso fand ich noch einen:

In den höher gelegenen Stadtteilen befindet sich eins der Häuser Pablo Nerudas. Ausserdem entstanden dort in den 70er-Jahren zahlreiche Wandmalereien.

Dieses Gebäude beherbergt das chilenische Parlament. Die Verlagerung des Parlaments

von Santiago nach Valparaíso geht noch auf Pinochet zurück. Wie es heisst, wollte er es nicht mehr in der Hauptstadt haben. Ich finde, die Architektur zeigt den Geschmack der Diktatoren.
Mit Valparaíso zusammengewachsen ist der Badeort Viña del Mar. Einige Reisende hatten mir vom Besuch abgeraten, ich fand den Ort aber nicht übel. Er besteht in der Tat fast nur aus Apartment-Hochhäusern, ist aber sehr gepflegt und grün. Es gibt einen sehr schönen Park mit Riesenbäumen aus aller Welt, ausserdem ein bedeutendes Museum zu den indianischen Kulturen und vor allem zur Osterinsel. So habe ich denn wenigstens einen Moai gesehen und auch eine Schrifttafel von dort:

Durch den kalten Humboldtstrom kann am Strand ganz schnell Nebel aufziehen. Er wabert dann noch durch die ersten Hochhausreihen, dahinter bleibt es aber sonnig.
Die nächsten drei Tage verbrachte ich in Santiago. Die Stadt ist riesig, das Zentrum aber ziemlich übersichtlich. Von einem Hügel aus hat man einen guten Überblick. Wenn kein Smog ist, kann man auch die schneebedeckten Andengipfel sehen.
Das Zentrum bildet, wie immer, die Plaza de Armas mit der Kathedrale. (Leider stellt

die neue Kamera die Bilder nicht automatisch ins Hochformat).
An einem Nachmittag fuhr ich zum riesigen Friedhof. Das Grabmal für Salvador Allende steht in einer Reihe mit denen anderen Präsidenten (ausgenommen Pinochet). Víctor Jara wurde in der letzten Reihe begraben. Das Grab ist ein ergreifender Ort, ein einfaches Fach in der Friedhofswand, aber umgeben von Texten, Bildern und Gegenständen, die Besucher hinterlassen haben:

Von Santiago aus fuhr ich über den Bermejo-Pass nach Argentinien. Man fährt einige Zeit in einem Flusstal aufwärts, dann gewinnt man durch zahlreiche Serpentinen schnell an Höhe:

Von meinem Quartier in Uspallata aus fuhr ich zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man den Aconcagua sehen kann, den höchsten Berg ausserhalb des Himalayas (6959 m). Mithin der höchste, den ich in meinem Leben bisher gesehen habe. Der Anblick war grossartig, aber letztlich kann man die Höhe eines Berges von unten her nicht wirklich erfassen. Ich machte mir klar, dass ich mich schon auf 3000 m Höhe befand. Um die Höhenverhältnisse wirklich zu erfassen, half mir vor allem eine Zahl: die Gletscher, die ihr seht, sind bis zu 300 m dick!

Sehenswert waren auch die umliegenden Berge: sie sind weitgehend kahl, aber reich an verschiedenen Mineralien. Daher sieht man ganz unterschiedliche Farben - neben fast weissem Gestein auch grünes und Rot in allen Schattierungen.
Z. T. gehen diese Farben auf eisenhaltiges Gestein zurück. Bei Uspallata soll demnächst ein Eisenerz-Tagebau eröffnet werden, was bei der Bevölkerung offensichtlich auf heftigen Widerstand stösst.
Besonders prächtig sind die Farben am Puente del Inca. Das ist eine natürliche Brücke über den Río Mendoza, die durch Tropfsteinbildung entstanden sind. Hier befanden sich früher Kuranlagen, die nach einer verheerenden Flutwelle in den vierziger Jahren geschlossen wurden. Auch die Bahnlinie, die früher über den Pass führte, liegt still.

Auch in Mendoza habe ich etwas verpasst. Das jährliche Weinfest findet immer Anfang März statt. Auf der Plaza roch es deshalb nicht nach Eichenfass. Stattdessen war sie in bläulichen Abgasnebel gehüllt, denn der Harley-Davidson-Club Mendoza hatte zum 13. Herbstanfangstreffen geladen, und diese Veranstaltung hat offensichtlich grosse Anziehungskraft in ganz Südamerika.

Nachdem ich ein Zimmer gefunden hatte, waren die Harley-Fahrer zu einem Tagesausflug aufgebrochen. Auf der Plaza konnte man jetzt wieder atmen, und eine Indiokapelle spielte "Winds of Change" und andere beliebte indigene Volksweisen.
Mendoza wurde 1861 durch ein Erdbeben völlig zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte nach einem durchdachten Plan. Ausser dem Hauptplatz gibt es im Abstand von jeweils zwei Häuserblocks noch vier andere. Alle Strassen sind breit und von alten Platanen gesäumt. Die Geschäfte befinden sich überwiegend noch in der Stadt und nicht in Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Das Ergebnis ist, dass es zwar nichts Besonderes zu sehen gibt, ich die Stadt aber trotzdem als sehr angenehm empfand.
Nachmittags nahm ich an einer Tour in die Umgebung teil, die sehr mediterran wirkt. Vorwiegend italienische Einwanderer haben mit Hilfe künstlicher Bewässerung Weinberge, Obstgärten und Olivenplantagen angelegt.

Quasi direkt neben meiner Unterkunft konnte ich mir abends eine Tangoshow ansehen. Es

gab etwas zu essen, Live-Gesang und -Tanz, eingebettet in ein Rahmenprogramm zur Geschichte der Einwanderung, des Tangos und des Weinbaus.
Überhaupt stellte ich am nächsten Tag fest, dass es in der Stadt ein überraschend breites Kulturprogramm gab: Programmkino, Oper, ein Dutzend Konzerte am Samstagabend.
Am Samstagmorgen bahnte ich mir meinen Weg durch die inzwischen zurückgekehrten Harleys in die Einkaufsstrassen. Zunächst hatte ich das simple Ziel, einen Reiseführer für Peru zu erwerben. Alle Buchhandlungen waren aber brechend voll, denn drei Wochen nach Schuljahresbeginn fanden es viele Eltern an der Zeit, nun die Schulbücher für ihre Sprösslinge zu besorgen. (Vielleicht aber tue ich den Eltern Unrecht, und die Fachkonferenzen beschliessen hier erst in den ersten Unterrichtswochen, welche Bücher angeschafft werden sollen).
Den Reiseführer bekam ich nicht. Den Rest des heissen Tages verbrachte ich im Stadtpark. Abends dann brach ich zu meiner 20stündigen Busfahrt nach Salta im Norden Argentiniens auf. Ich habe sie gut überstanden, die Busse sind hier sehr komfortabel und die Strassen in gutem Zustand. Auch hätte ich fast beim Bordbingo gewonnen.
Salta scheint auf den ersten Blick ein koloniales Kleinod zu sein. Ich habe aber gestern Abend keine Fotos mehr gemacht. Die gibt es dann beim nächsten Mal.